Die Wüste
Bei der Einfahrt nach Carcross bietet sich mir ein Anblick wie aus dem Bilderbuch. Der Himmel ist größtenteils mit dunklen Wolken behangen. Hinter der Ortschaft ist ein Stück blauer Himmel, das einfallende Licht betont die Regenschauer und die Konturen der Gebäude. Ich hadere etwas mit mir als ich beim Parkplatz der Carcross Dessert das “No Camping” Schild sehe. Ich lese die Schilder und entdecke Spuren von Buggies im Sand. In diesen Spuren fahre ich zur Mitte der Sanddüne und finde ein nettes Plätzchen neben einem Baum, welcher mir als Sichtschutz dient.
Ich erwache zu einem Rascheln. Ich hoffe, dass es nicht ein Tier ist, welches sich hinter meine Radtaschen macht. Die Sorgen waren unberechtigt. Wie so oft rühre ich das Milchpulver an und gebe den Müeslimix dazu. Meine Taschen sind gepackt und das Zelt steht offen zum Austrocknen, während ich einen Spaziergang hoch zur Kante der Düne mache. Im Moment, in dem ich mich umdrehe, schlägt mir eine Aussicht ins Gesicht, wie ich sie nie erwartet habe. Es haut mich fast um, die Berge und der See im Hintergrund, vor mir liegt die winzige Wüste und dazwischen das Touristendorf Carcross. Nach dem Schnappschuss von gestern, bei der Einfahrt nach Carcross, ist es schon wieder ein solch perfekter Moment, in dem einfach alles stimmt.
Richtiger Kaffee
Bester Laune rolle ich ins Dorf ein. Die Ausstellungen zeigen, wie sich der Ort dem Tourismus zuwendete um seinen Untergang zu vermeiden. Der Name Carcross, früher Caribou Crossing, stammt von den Wald Caribous, die auf ihren Wanderung hier durchziehen. Seit geraumer Zeit habe ich keinen richtigen Kaffee mehr getrunken. Meine Hoffnung steigt etwas, als ich die Barrista im Caribou Crossing Coffee sehe. Ich bin positiv erstaunt, als sich effektiv nur die Menge eines Espresso’s in der Tasse befindet, die mir gereicht wird. Der Geschmack unwiderstehlich und ich bin um die Erkenntnis reicher, auch in Nordamerika kriegt man richtig guten Kaffee. Wenn man weiss wo. Der Kaffee war so überzeugend, dass ich hier etwas sitzen bleibe, den Duft der frischen Backwaren geniesse und an meinem Blog schreibe.
Irgendwann gerate ich ins Gespräch mit, die dieses nette Kaffee führt. Das Gespräch wird immer interessanter und länger bis wir beide unsere Pläne für den Tag verwerfen. Bevor Sie nach Whitehorse fährt organisiert sie kurzerhand, dass ich für die Nacht bei der Familie Menell, etwas ausserhalb unterkomme. 余有人(Juren), welcher mir den leckeren Espresso kredenzte, will diesen Sommer den Dempster Highway mit dem Fahrrad machen. So sitzen wir zusammen damit ich ihm die Bilder zeigen kann und erzähle die Geschichten dazu. Es wird langsam Zeit, die 25 Kilometer zu den Menell’s in Angriff zu nehmen. Unterwegs treffe ich auf Martin und Jacky, das Paar aus Ontario ist auf grosser Tour durch ihr Heimatland. Auf ihren Fahrradhelmen tragen sie lustige Plüschtierüberzüge. Begeistert erzähle ich von meinem Erlebnis in der Wüste und versuche sie zu überzeugen auch da zu übernachten. Wieso, dies für die Geschichte wesentlich ist, erfahrt ihr einige Abscnhnitte weiter unten.
Unsere kleine Farm
Die Familie Menell lebt auf einer kleinen Farm. Die Tochter arbeitet im Kaffee und die Mutter im Touristenbüro. Vor zwei Jahren begannen Vater und Sohn den Garten etwas auszuweiten und mittlerweile besitzen sie auch einige Schafe. Zum Abendessen wird mir ein bunter Salat mit frischem Gemüse aus dem selbstgebauten Gewächshaus gereicht. Ich werde aufgefordert reichlich vom Hähnchenfleisch auf meinen Teller zu schaufeln. Es ist ein wahrer Gaumenschmaus. Zum Dessert gibt es Pfirsiche mit Sahne und etwas frischer Schafsmilch zum Probieren, es schmeckt mir. Bevor ich mein eigenes Bett für die Nacht beziehe, werde ich eingeladen am nächsten Morgen beim Melken der Schafe zu helfen.
Der Wecker geht und ich stehe gut erholt auf. Beim Eintreten in die Stube, mache ich mich mit einem frohen “Good Morning” bemerkbar. Es dauert eine kurze Weile bis jemand auftaucht. Daphnee, die Mutter, begleitet mich zu den Schafen und zeigt mir wie es gehen soll. Die selbstgebauten Hilfsmittel beeindrucken mich. Dann versuche ich mein Glück. Nach ein, zwei Minuten habe ich den Dreh raus, aber ich bin deutlich langsamer als Daphnee. Leider erschrickt das Schaf, als die Türe sich öffnet und tritt in den Eimer mit der Milch. So ist meine Arbeit zwar nicht für die Katz, aber für den Hund. Der geniesst die frische Milch sichtlich. Nach getaner Arbeit gibt es selbstgemachte Joghurt mit Früchten zum Frühstück. Einmal mehr bin ich von der Gastfreundschaft überwältigt.
Grosse Gefühle
Es ist schon fast Mittag, als ich in Carcross auf die Hauptstrasse einbiegen will. Da kommt mir Jacky entgegen und fällt mir um den Hals. Ich schaue sie mit grossen fragenden Augen an. Einen Moment später hält sie mir ihren Verlobungsring unter die Nase. Sie bedankt sich bei mir und sagt: “Es ist wunderschön gewesen in der Wüste zu übernachten. Der Moment oben auf der Düne, als er mich fragte war schlicht perfekt.” Sie düst auf ihrem Drahtesel davon, um sich in der Wüste eine Handvoll Sand als Erinnerung einzupacken. Marty finde ich beim Restaurant, wie er einen platten Reifen repariert.
Die Geschichte macht schnell die Runde. Alle scheinen an diesem Tag noch glücklicher, die Backwaren noch süsser und der sommerliche Regen noch erfrischender als sonst schon. Im Kaffee, sitze ich dann den Touristenansturm mit 14 Uhr Zug und den Regen am frühen Abend aus. Es ist für eine Weile ruhe im umtriebigen Carcross eingekehrt und so greift Tom, der auch im Kaffee arbeitet zur Gitarre und trällert den einen oder anderen Song. Die meisten Leute dürften Carcross, als ein touristisches Dorf mit bunten Gebäuden in Erinnerung behalten. Für mich ist der Ort voller schöner Erinnerungen, netten Leute, spannenden Geschichten. So sieht Carcross durch meine pinkfarbene Brille aus.